Zu einer vollständigen Diagnostik gehört neben Messung des PSA-Wertes und Bildgebung auch eine genaue Histologie (Gewebeuntersuchung). Ihr kommt entscheidende Bedeutung für das weitere Vorgehen zu.
Der Befund – aufgrund von mindestens 6, besser 10-12 Biopsieproben – muss die Frage beantworten, in welchen Regionen der Prostata der Krebs nachgewiesen wurde und wie aggressiv der Krebs in den untersuchten Regionen ist..
Es müssen der primäre, sekundäre und ggf. tertiäre Gleason-Score (s. u.) angegeben sein, außerdem gehören Informationen über eine mögliche Ausbreitung des Tumors entlang der Nervenbahnen (perineurales Wachstum) bzw. in die Prostatakapse (Kapselinfiltrationen) etc. dazu.
Der Gleason Score
Der 1966 von dem amerikanischen Pathologen Donald F. Gleason entwickelte und nach ihm benannte Gleason-Score dient der histologischen (feingeweblichen) Beurteilung des Prostatakrebses unter dem Mikroskop.
Dabei wird der sogenannte „Entdifferenzierungsgrad“ der häufigsten und der zweithäufigsten Zellpopulation des Tumors bewertet. Dabei werden jeweils Werte von 1 bis 5 vergeben. Je höher der Wert, desto aggressiver ist das Wachstumsmuster des Tumors
Die Bewertung erfolgt mikroskopisch. Nach verschiedenen Modifikation des Gleason-Beurteilunssystems in den Jahren 2004 bis 2016 gibt es nur noch die Muster 3, 4 und 5. Die Muster 1 und 2 gibt es offiziell nicht mehr.
Ein Gleason-Score von 3+3=6 beschreibt gut differenzierte Tumoren, 3+4=7(a) beschreibt mittelgradig differenzierte Tumoren, ein Score von 4+3=7(b) steht für mittelgradig bis schlecht differenziert und ein Score von 8 bis 10 für schlecht- bis entdifferenzierte Tumoren.
Tumoren mit einem Gleason-Score von 6 (3+3) werden meist zufällig bei einer TURP oder ungezielten Biopsie entdeckt, da sie oft weder im Ultraschall noch im MRT noch im PSMA-PET/CT auffallen.
Tumoren mit einem Score von 8 bis 10 sind oft schnell wachsende aggressive Tumoren, die zum Zeitpunkt der Diagnosestellung häufig schon über die Prostatakapsel fortgeschritten sind.
Bei Prostatakarzinom wird gelegentlich auch ein sogenannter tertiärer Gleason- Score verwendet; bei Vorliegen dreier unterschiedlicher Muster sollen das führende und das aggressivste Muster kombiniert werden. Das heißt, ein tertiärer Gleason- Score kombiniert nicht den häufigsten und den zweithäufigsten Grad, sondern den häufigsten und den höchsten Gleason-Grad.
So würde beispielsweise ein Tumor, der den klassischen Gleason-Grad 7 (3+4) aufweist, aber ein tertiäres Gleason-Muster von 5 enthält, dann als Gleason 8 (3+5) klassifiziert.
Zwischenzeitliche Modifikationen des Gleason-Gradings
In den vergangenen 15 Jahren ist der Gleason-Score von der Weltgesundheitsorganisation WHO und den maßgeblichen Fachgesellschaften immer wieder verändert und an die neusten medizinischen Verfahren angepasst worden.
So werden beispielsweise die Gleason-Muster 1 und 2 gar nicht mehr verwendet, so dass selbst der am besten differenzierte diagnostizierbare Tumor einen Gleason- Score von 3+3=6 erhält.
Viele der Tumoren, die vor 2005 als Gleason 3+3=6 bezeichnet wurden, bekommen nach den Modifikationen der ISUP aus 2005 mittlerweile das Gleason-Muster 3+4=7a, 4+3=7b oder mitunter sogar 4+4 zugeordnet. Das betrifft etwa größere kribriforme (siebförmige) Tumoranteile und sogenannte schlecht geformte, aber noch als drüsig erkennbare Tumoranteile, die vom Gleason-Muster 3 in das Gleason-Muster 4 verschoben wurden.
Durch die neue Art der Klassifizierung sank der Anteil der Gleason 6-Tumore von 48,4% auf 22% und der Anteil von Gleason-7-Tumoren stieg von 25,5% auf 67,9%. Einen guten Überblick über die Konsequenzen des veränderten Gleason-Systems bietet die Übersicht der Bonner Pathologen Christiansen et al. (2017).
Der Gleason-Score ist eine gute Grundlage für die Therapieentscheidung durch den behandelnden Arzt; er sollte aber stets im Zusammenhang mit den übrigen Befunden (PSA, MRT, Ultraschall etc.) gesehen werden. Bei starken Diskrepanzen zwischen den verschiedenen Untersuchungen ist eine Zweitbeurteilung durch ein Referenzzentrum anzuraten.
Aktualisierung des Gleason-Gradings nach ISUP 2014
In den letzten zehn Jahren wurde offenbar, dass es einer weiteren Spezifizierung und Modifikation des Gradings bedarf. Diese Punkte wurden in der zweiten Konsenskonferenz zur Modifikation des Gleason-Gradings von der ISUP am 01. November 2014 in Chicago erörtert. Dazu gehört u.a. die Etablierung eines neuen, fünfstufigen prognostischen Gruppensystems für das Adenokarzinom der Prostata.